Aufruf Maria Montessoris an die UNESCO

„Mein ganzes Leben stand im Dienst der Suche nach der Wahrheit. Bei der Beobachtung des Kindes habe ich, im Osten wie im Westen, die Ursprünge der menschlichen Natur erforschen können, und obwohl ich meine Arbeit schon vor vierzig Jahren begann, sehe ich im Kinde immer noch eine unerschöpfliche Quelle der Offenbarung und – ich muss es sagen – der Hoffnung.

Die Kinder haben mir gezeigt, dass es nur eine einzige Menschheit gibt. Welcher Rasse oder sozialen Schicht sie auch entstammen mögen, alle fangen ungefähr im gleichen Alter an zu sprechen, und in einem bestimmten Lebensalter lernen sie laufen und verlieren ihre Milchzähne. Auch in anderer Hinsicht, vor allem aber im seelischen Bereich, sind sie einander ebenso ähnlich und gleichermaßen aufgeschlossen.

Die Lösung aller menschlichen Probleme hängt vom Menschen selbst ab. Wird seine Natur nicht richtig erkannt, wird man mit diesen Problemen niemals fertig werden.

Kein Kind ist bolschewistisch, faschistisch oder demokratisch. Aus jedem wird, was Umstände und Umgebung aus ihm machen.

Die Bildung des Menschen muss in den ersten Tagen seines Lebens beginnen, wenn die großen Kräfte der Natur am Werk sind. Nur dann besteht Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft und eine bessere internationale Verständigung.“

Auszug aus einem Aufruf Maria Montessoris von 1947, der an die UNESCO und führende Persönlichkeiten der Welt gesandt wurde